Sommerzeit ist Reisezeit. Inzwischen nahezu immer mit an Bord, ist das schier allgegenwärtige Handy. Ein nützlicher elektronischer Helfer in vielen Dingen und Situationen. Aber eben nicht während der Fahrt. Das gilt zumindest unstrittig für den Fahrer. Zur Wahrheit gehört indes auch: Immer weniger Fahrzeugführer halten sich daran. Sprich, das Unfallrisiko ist exorbitant gestiegen, Ablenkung gehört mittlerweile zu den häufigsten Unfallursachen.
„Bei Langeweile zu Hause ist Ablenkung höchst erwünscht, im Straßenverkehr ist sie aber völlig fehl am Platz“, warnt Dekra-Unfallforscher Luigi Ancona. Und weiter: „Die Anforderungen an uns als Verkehrsteilnehmer sind so komplex, dass wir unsere volle Aufmerksamkeit brauchen, wenn wir sicher nach Hause kommen wollen.“ Im Verkehrsgeschehen funktioniere Multitasking eben ganz und gar nicht, denn der Mensch sei dazu nur sehr begrenzt in der Lage. Hier sei jederzeit volle Konzentration gefragt, mahnt der Dekra-Experte weiter an.
Aus gutem Grund: Denn wer am Steuer eines Autos während der Fahrt telefoniert, Textnachrichten liest oder versendet, gehe ein massiv erhöhtes Unfallrisiko ein. Gefährdet seien jedoch auch Fußgänger und Radfahrer, die sich vom Smartphone ablenken lassen oder mit Kopfhörern unterwegs sind.
Laut einer Studie des AZT (Allianz Zentrum für Technik) ist Unachtsamkeit der Auslöser für jeden zehnten Autounfall mit Verletzten. Dies würde bedeuten: Ablenkung führt im Straßenverkehr zu mehr Getöteten als Alkohol. In der amtlichen Statistik spiegelt sich dies allerdings noch nicht wider. Auf die erstmals für das Jahr 2021 separat ausgewiesene Unfallursache Ablenkung entfallen insgesamt 2,0 Prozent der Unfälle mit Personenschaden, 0,3 Prozent auf die Nutzung elektronischer Geräte.
Dekra-Experte Ancona: „Wir müssen hier von einer sehr hohen Dunkelziffer ausgehen.“ Dies unterstreiche auch eine Verkehrsbeobachtung der Dekra-Unfallforschung. Demnach waren im Jahr 2017 zu jedem Zeitpunkt im Schnitt sieben Prozent der Autofahrer durch ihr Handy abgelenkt. Der Dekra zufolge identifizieren das Problem auch Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA): So wurden im Jahr 2020 bundesweit mehr als 413.000 Handyverstöße registriert und geahndet, obwohl sie nur einen Teil aller Ablenkungsfälle erfassten. Zur Unfallgefahr kommt eine saftige Strafe hinzu: Wer am Steuer ein elektronisches Gerät vorschriftswidrig nutzt, muss mit 100 Euro Bußgeld und einem Punkt im Flensburger Zentralregister rechnen, bei Gefährdung oder Unfall mit bis zu 200 Euro und zwei Punkten.
Wer bei 50 km/h drei Sekunden aufs Smartphone schaut, legt laut den Dekra-Unfallforschern fast 42 Meter im Blindflug zurück, bei Tempo 80 seien es fast 67 Meter.
Im Übrigen: Von der eigentlichen Fahraufgabe können die verschiedensten Aktivitäten ablenken, wie etwa ein anspruchsvolles Telefonat, das Lesen und Schreiben von Nachrichten, Gespräche mit Mitfahrern, Essen, Trinken, Rauchen, die Zuwendung zu Kindern auf dem Rücksitz, Tiere im Fahrzeug oder auch die Bedienung des Navigations- oder Audio-Systems, oft über ein komplexes Touch-Display. Ancona: „Jede Nebentätigkeit, bei der die Konzentration auf das Verkehrsgeschehen verlorengeht, birgt ein Gefährdungspotenzial - für einen selbst wie für andere.“
Quelle: Dekra, Foto: AdobeStock