Das Klima auf deutschen Straßen ist zunehmend von Stress, Hektik und gegenseitigen Schuldzuweisungen geprägt. Autofahrer fühlen sich durch andere Verkehrsteilnehmer in ihrem Fortkommen behindert, Radfahrer wiederum sehen sich von Autofahrern benachteiligt, während Fußgänger sich über Radfahrer oder E-Scooter-Fahrer ärgern, die Gehwege unerlaubt nutzen. Der Straßenverkehr wird so für viele zum täglichen Ärgernis.
Dass das aggressive Verhalten deutlich zugenommen hat, bestätigt auch die aktuelle polizeiliche Kriminalstatistik: 2024 wurden 37.614 Fälle von Nötigung registriert, ein Anstieg um 3,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Der DVR-Präsident Manfred Wirsch mahnt angesichts dieser Entwicklung zu mehr Rücksichtnahme und partnerschaftlichem Verhalten auf den Straßen, zumal von einer erheblichen Dunkelziffer auszugehen ist.
„Der steigende Verkehr und die zunehmende Komplexität verschärfen die Problematik und führen häufig zu unüberlegten, aggressiven Reaktionen“, betont Wirsch. Diese Verhaltensweisen seien nicht nur gefährlich, sondern förderten auch ein Klima der Angst und Unsicherheit.
Die Ursachen für aggressives Verhalten im Straßenverkehr seien vielfältig. Neben Stress und Zeitdruck spielten auch Staus, lange Wartezeiten an Ampeln und räumliche Enge eine Rolle.
Hinzu komme das psychologische Phänomen der Externalisierung: Viele Verkehrsteilnehmer suchten die Schuld für Probleme nicht bei sich selbst, sondern bei anderen. Besonders häufig komme es im Berufsverkehr zu Nötigungen, wenn die Nerven ohnehin angespannt seien.
Um dem Anstieg aggressiven Verhaltens entgegenzuwirken, befürwortet eine Mehrheit der Bevölkerung härtere Konsequenzen. Laut einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des DVR sprechen sich fast zwei Drittel der Befragten für schärfere Sanktionen wie Bußgelder, Punkte oder Fahrverbote bei aggressionsbedingten Vergehen aus.
Rund ein Drittel plädiert zudem für ein Zusatzmodul „Aggression“ in der Fahrausbildung, das über rücksichtsvolles Verhalten aufklärt, sowie für mehr Informationskampagnen in Medien und sozialen Netzwerken.
Besonders betroffen von Aggressionen im Straßenverkehr seien Menschen, deren Arbeitsplatz die Straße ist – etwa Bauarbeiter, Müllwerker oder Einsatzkräfte. Sie arbeiteten oft ungeschützt in unmittelbarer Nähe zum fließenden Verkehr und seien dadurch einem erhöhten Risiko ausgesetzt.
Wirsch fordert deshalb einen Perspektivwechsel: „Wer auf der Straße arbeitet, hält den Verkehr nicht auf, sondern sorgt dafür, dass er funktioniert. Baustellen, Liefer- und Entsorgungsdienste sowie Rettungskräfte sind keine Störung, sondern Voraussetzung für sichere, funktionierende Verkehrswege und eine zuverlässige Notfallversorgung. Der Schutz dieser Beschäftigten erhöht letztlich die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer.“
Quelle: DVR, Foto: AdobeStock