Frohe Kunde für so manchen Temposünder. Um die Unschuld beweisen zu können, muss Beschuldigten die Möglichkeit eingeräumt werden, alle für den betreffenden Vorgang relevanten Unterlagen einsehen zu können. Eben auch solche, die der Akte nicht beiliegen.
In dem verhandelten Fall wurde ein Autofahrer geblitzt. Er soll 30 Kilometer zu schnell außerhalb einer geschlossen Ortschaft gefahren sein. Bei der zuständigen Bußgeldstelle beantragte die Verteidigung Akteneinsicht. Darin befand sich neben dem Messprotokoll und dem Messergebnis (Lichtbild mit Aufdruck der ermittelten Geschwindigkeit) auch der Eichschein des eingesetzten Messgerätes.
Die Bedienungsanleitung zu dem verwendeten Messgerät wurde der damaligen Verteidigerin als Datei auf der Internetseite der Bußgeldstelle zugänglich gemacht. Bezüglich der übrigen angefragten Informationen teilte die Behörde allerdings mit, dass Gerätestammkarten, Lehrgangs- beziehungsweise Schulungsbescheinigungen des Messpersonals sowie die weiteren geforderten Unterlagen nicht Bestandteil der Ermittlungsakte seien und nur auf gerichtliche Anordnung vorgelegt würden.
In erster Instanz wurde der Betroffene Ende 2017 vom Amtsgericht (AG) Hersbruck (Franken) verurteilt. Strafe: 160 Euro Geldbuße, ein Punkt in Flensburg und ein Fahrverbot von einem Monat. Auch die Berufung vor dem Oberlandesgericht (OLG) Bamberg ging verloren. Sowohl das AG als auch das OLG verweigerten zudem die Einsicht unter anderem in die Rohmessdaten. Dagegen legte der Fahrzeugführer Verfassungsbeschwerde ein.
Jetzt entschieden die Karlsruher Richter pro Autofahrer und gaben dem Beschwerdeführer Recht ((Az.: 2 BvR 1616/18). Zur Begründung führte das BVerfG aus, dass dem Betroffenen bei einer Geschwindigkeitsmessung das Recht zustehe, insbesondere auch Einsicht in die Rohmessdaten und die Lebensakte des Messgerätes zu nehmen.
Und die 3. Kammer des Zweiten Senats formulierte weiter: Da der Fahrer nur durch die Überprüfung der in Rede stehenden Informationen feststellen könne, ob und welcher Messwert einwandfrei dem relevanten Fahrzeug zugeordnet worden sei, würde er bei einer Ablehnung der umfassenden Einsicht in seinen Verfahrensrechten unzulässig beschränkt und sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
Gleichwohl stellte das BVerfG fest, dass jedoch ein begründeter Verdacht vorliegen und das Bußgeldverfahren wegen massenhafter Verkehrsverstöße vereinfacht durchgeführt werden müsse. Ebenso wenig müsse nicht jedes Mal aufs Neue und ohne Anlass die technische Richtigkeit einer neuen Messung überprüft werden. Sprich, die bloße Behauptung, eine Messung sei fehlerhaft, begründe nicht die Pflicht zur Aufklärung für das betreffende Gericht.
Quelle: BVerfG, Foto: AdobeStock